lebt wohl ihr lieben Kassetten

Heute ist ein ganz besonderer Tag, denn heute werden die jahrelang geliebten Kassetten aus unserem Haushalt verschwinden. Definitiv. Ein Grund, mit Wehmut auf die Geschichte des Walkmans und meines letzten Abspielgeräts zurückzublicken.

Begonnen hat alles kurz nachdem Sony 1979 den ersten Walkman auf den Markt gebracht hat. Zu Weihnachten, ich denke es war 1980, erhielten meine Schwester und ich so ein tolles Abspielgerät von Götti und Gotte. Ein schneeweisses für meine Schwester und ein ockerfarbenes für mich. Und dazu je ein Kassettli. Kinderhitparade und noch etwas anderes. Hei, war das etwas Gewaltiges. Aufgewachsen mit Platten von Rössli Hü und Elvis – den ganzen 70er Jahre Schlager-Schund will ich an dieser Stelle nicht erwähnen und den Eltern die Schmach ersparen – stiegen wir mit einem Schlag ins moderne Zeitalter der Kassetten ein. Und die Walkmans hatten sogar eine Aufnahmetaste. Und so wurde bald einmal das Sackgeld für wieder bespielbare Kassettli verbraten.

Fürze aus dem Walkman

Gott sei Dank, waren zu dieser Zeit die transportablen Computer-Böxli noch nicht erhältlich. Sonst hätten wir vermutlich nicht nur Eltern sondern auch gleich die ganze Nachbarschaft aufgenommenen Fürzen und anderen schrecklichen Geräuschen überrascht. Der Walkman war schon ein tolles Gerät. Und musste auch überall hin mit. Dazu wurde er schliesslich auch entwickelt. An Wichtigkeit übertraf er sogar die süchtig-machenden Nintendo-Spiele mit den Affen und den Feuerwehrmännern. Ja, das waren Zeiten, die Achtziger-Jahre. Der Sony-Klon war leider nicht für eine Lebensdauer jenseits der 5-Jahres-Marke gedacht. Und Stürze mit dem Rollschuhen – Inline-Skates gab es zu dieser Zeit noch gar nicht und so waren Rollschuhe unheimlich cool – vertrug mein Player nicht sonderlich gut. Die Klappe fehlte bald einmal. Und überhaupt war das Riesenmöbel irgendwann einfach nicht mehr cool. Und so musste ein neues Gerät her. Mit Freund Würschtli ging’s mit dem Zug nach Kreuzlingen und schnurstracks in die Elektronik-Abteilung der EPA. Zweimal ein Hightech-Gerät mit Autoreverse, Dolby-B-Rauschunterdrückung, Equalizer, Hyper-Bass in zeitlosem Schwarz-Mint. Wir konnten nicht widerstehen und leisteten uns die Dinger für nicht einmal 50 Franken, ein absolutes Schnäppchen. Auf Rollschuhen waren wir mit den beiden Schmuckstücken einfach ein unglaubliches Duo. An Coolness kaum zu überbieten.

edles Zigarettenschächteli

Die Zeit der Smilies ging vorüber und die 90er Jahre brachen an. Zeit also, auch im Walkman-Bereich dem Plastik-Kitsch den Rücken zu kehren. Und so bestellte ich mir bei einem Versandhaus ein unglaublich Teures aber dafür umso edleres Schmuckstück von Sanyo. Die Farbe, ein metallische hellviolett-blau, war zwar etwas fragwürdig, aber der Winzling war schon ein scharfes Gerät. Klein, elegant, perfekter Sound und eine Fernbedienung. Ich war so glücklich. So glücklich, dass ich irgendwie nicht mitbekommen habe, dass mittlerweile CDs immer weiter verbreitet und sogar schon Discman erhältlich waren. Und ich sass auf rund 500 Musikkassetten und verteidigte die Technik mit grossem Eifer. Schliesslich waren Discman immer noch halbe Ghettoblaster – im Vergleich zu meinen Sanyo-Walkman.

Der Niedergang

Das Anwachsen meiner CD-Sammlung war gleichzeitig der Beginn des Niedergangs meiner Walkman- und Kassetten-Beziehung. Praktisch nur noch für Ferien oder längere Autofahrten wurden die historischen Tonträger eingesetzt, aber sowohl Inhalt wie Technik konnten mir der Zeit nicht mehr mithalten. Und so wurden nach und nach alle Abspielgeräte ausgemustert. Der Akku des Walkmans wurde nicht mehr aufgeladen, weil die Kapazität auch schon ziemlich beschränkt war und sich der Ersatz des Spezialmodells nicht gerade einfach und günstig gestaltete. Dem Kassettendeck der alten Stereoanlage trauerte ich nicht lange nach. Und so blieb am Schluss nur noch das Autoradio mit Kassettenabspielgerät. Und von eben diesem habe ich mich heute verabschiedet. Mein letzter grosser Walkman, oder besser gesagt Carman war der gute alte Saab 900, der zwar nur ein- oder zweimal ein Kassettli abgespielt hat. Aber er durfte immerhin einmal zeigen, was er drauf hat. Der neue Wagen hat logischerweise kein Kassetteneinschub mehr. Und, vermissen tu ich eigentlich nur den Saab, jetzt schon. Die Kassettli sicher nicht. Ich frage mich jedoch, was ich unserem Sohn dereinst erklären soll, wenn er an der Migros-Kasse die Globi-Kassetten entdeckt und liebevoll ein kleines Gestürm vom Stapel lässt. Nein, Bub, wir haben keinen Walkman, nur einen iPod, und dort passen diese Globis nicht rein. Das wird Tränen geben, ganz bestimmt, und so wird unser Sohn einer Technik nachweinen, dies schon gar nicht mehr gibt, eigentlich, ausser an der Migros-Kasse, für viel Geld.

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Kommentare

Mischa's Gravatar
Zufall, ob man's glaubt oder nicht, heute feiert der Walkman den 30. Geburtstag. Soeben gehört auf DRS3, und vor dem Schreiben des Beitrags nicht gewusst.
# Erfasst von Mischa | 01.07.09 14:59
Mathias's Gravatar
Darfst mit dem Sohnemann gerne mal ein Globi-Kasettli bei mir im Auto anhören. Nur damit der Gute auch noch erfährt, dass man früher noch spuhlen und Seite wechseln musste! Und wie faul die heutige Jugend eigentlich geworden ist. Und überhaupt wie früher alles besser war!
Denn du gesehen hast hab ich in meinem Töff noch so ein Ding :-) Aber zuvor schnell ausprobieren, sonst gibts dann doch noch Tränen wenn sich der Globi am Bandsalat erdrosselt!
# Erfasst von Mathias | 01.07.09 16:39
Mischa's Gravatar
Das mit den Tränen ist sowieso ein heikles Thema. Wieso beginnt er eigentlich jedes Mal zu heulen, kaum hat er dich entdeckt?
# Erfasst von Mischa | 01.07.09 17:17
Fabian's Gravatar
eine weitere Frage wäre, warum mein wahnsinnig gigantischer Post als Spam behandelt wurde. Gopf, Mischa! Das ist ein böses Foul :-(
# Erfasst von Fabian | 01.07.09 19:21
Mischa's Gravatar
Vermutlich warst Du einfach wie immer zu schnell. Oder könnte es sein, dass du nur Mist eingetragen hast? Und was hättest Du denn geschrieben, wenn's nicht als Spam deklariert worden wäre?
# Erfasst von Mischa | 01.07.09 20:20
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