Darum fahre ich im Bus nicht rückwärts
Ich sitze im Bus nicht gerne mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Und das hat keineswegs mit einem flauen Gefühl in der Magengegend zu tun. Okay, ein bisschen schon, aber aus einem bestimmten Grund.
Ich schaue gern zum Fenster raus, wenn ich bewegt werde. Sei dies im Zug, Flugzeug, Bus oder wo auch immer. Ich muss wissen, was kommt. Sonst wird mir schlecht. Allerdings nur auf längeren Strecken. Kurzstrecken gehen ganz gut, mittlerweile. Und seit ich regelmässig Bus fahre, ist das ohnehin keine Herausforderung für meine Eingeweide mehr. Warum aber fahre ich immer noch nicht gerne rückwärts? Zugegeben: in der ersten Phase meiner neu lancierten ÖV-Phase habe ich es genossen rückwärts zu fahren. Als leidenschaftlicher Beobachter vervielfacht sich das Spektrum interessanter Objekte. Immer nur an die Hinterköpfe des Vorsitzenden zu starren ist irgendwie öde, es sei denn man betreibe Haarschnitt-Analysen oder Schuppen-Studien. Rückwärts-fahren heisst Frontaldieagnose, die volle Packung Gesellschaftsstudie. Die neusten Filme auf dem iPhone-Display entdeckt der geübte Privatsphären-Ignorierer genauso einfach, wie Familienprobleme von Teenagern fremdliest. Manchmal ist die Grenze zur Geschmacklosigkeit aber einfach schnell überschritten. So zum Beispiel beim Anblick zweier teenagenden Rastas beim sinnlichen Zungenspiel – ÖV im wahrsten Sinne des Wortes. Das war dann für mich heute morgen definitiv zu viel. Die aufgebaute Abhärtung gegen das wohlbekannte Schlechtwerden beim Rückwärtsfahren war wie weggeblasen. Da war es wieder, das mulmige Gefühl. Und so stieg ich an der gewohnten Haltestelle mit wackligen Knie und dem Vorsatz, künftig nach vorne zu schauen, aus. Frisuren und Hinterköpfe haben mit Sicherheit die beruhigende Wirkung eines Stillebens. Und ich hoffe schwer, es tun sich da keine neuen Abgründe auf.
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